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Barrierefreie Kommunikation: Gebärdensprache

Die Gebärdensprache ist für Menschen, die nicht hören können, das wichtigste Mittel zur Verständigung. Seit 2002 ist die Deutsche Gebärdensprache hierzulande als eigenständige Sprache anerkannt. Sie ist der Schlüssel zu einer Gesellschaft, in der alle gehört werden – auch ohne Laute. 

Gehörlos heißt nicht sprachlos

Gehörlosigkeit ist eine Einschränkung, die auf den ersten Blick unsichtbar ist – doch für gehörlose Menschen stellt sie oftmals eine große Hürde dar. Denn die gesprochene Sprache prägt den Alltag: vom Small Talk an der Bushaltestelle über die Vereinbarung eines Arzttermins am Telefon bis zum Kino- oder Theaterbesuch am Abend. Für Menschen, die nicht hören, ist die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben daher alles andere als selbstverständlich. 

Dennoch: Es gibt Wege und Möglichkeiten, damit sich Menschen mit Hörbeeinträchtigung untereinander und mit hörenden Menschen verständigen können. Der Gebärdensprache kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie ist eine eigene Sprache mit eigener Grammatik, bei der mit Handzeichen, Mimik und Körperhaltung kommuniziert wird. Sie ist die Muttersprache vieler Gehörloser, wird aber zudem auch zum Beispiel von deren Angehörigen oder Freundinnen und Freunden genutzt. 

Vortrag von Prof. Dr. Sabine Fries: „Wir können alles – außer hören.“

StMAS

Prof. Dr. Sabine Fries ist Professorin an der Hochschule Landshut. Im Vortrag betrachtet sie sowohl die individuelle Sicht derer, die Barrierefreiheit benötigen, als auch die gesamtgesellschaftliche Bedeutung der Barrierefreiheit. Prof. Dr. Sabine Fries ist gehörlos und in den Sprachen Deutsch und Deutsche Gebärdensprache zu Hause. Der Vortrag wurde bei einer Sitzung des Kabinettsausschusses „Bayern barrierefrei“ aufgenommen. 

Muttersprache: Gebärdensprache

Bei der Gebärdensprache werden Gebärden, Gestik und Körpersprache auf vielfältigste Weise kombiniert. Man kann sich in Gebärdensprache über alles austauschen, was man möchte: Glück, Trauer oder Wut ausdrücken, aber auch über Quantenphysik und Philosophie diskutieren. Einige Gebärden sind sehr bildhaft: Um zum Beispiel das Wort „Baby“ auszudrücken, wird ein imaginärer Säugling vor dem Körper gewiegt, für „lieb“ streicht man sich über die Wange. Doch nur rund ein Drittel aller Gebärden sind so bildhaft wie die genannten Beispiele; zwei Drittel sind für Menschen, die diese Sprache nicht gelernt haben, unverständlich.

Was viele nicht wissen: Die Gebärdensprache ist nicht international, sondern unterscheidet sich von Land zu Land in Grammatik und Wortschatz. Weltweit gibt es mehr als 200 verschiedene Gebärdensprachen. In Deutschland ist die Deutsche Gebärdensprache als eigenständige Sprache gesetzlich anerkannt. So ist es im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) des Bundes nachzulesen, das 2002 in Kraft getreten ist. Neben der Nationalsprache haben sich auch Dialekte in Gebärdensprache herausgebildet. In Bayern gibt es zum Beispiel eine eigene Gebärde für das Wort „Schmarrn“.   

Ein Hilfsmittel der Gebärdensprache ist das Fingeralphabet. Es kommt zum Einsatz, wenn zum Beispiel Fremdwörter, unbekannte Begriffe oder Eigennamen verwendet werden. Beim Fingeralphabet bilden unterschiedliche Handformen einzelne Buchstaben des Alphabets ab. Auch das Fingeralphabet ist nicht einheitlich auf der ganzen Welt, denn es orientiert sich am Schriftbild der jeweiligen Lautsprache. Beim Deutschen Einhand-Fingeralphabet werden die Buchstaben mit der rechten (bei Linkshändern mit der linken) Hand vor der Brust ausgeführt.

„Bayern barrierefrei“ verschafft Zugang zu Behördeninformationen

Die barrierefreie Kommunikation hat für die Bayerische Staatsregierung höchste Priorität. Die Angebote in Deutscher Gebärdensprache und in Leichter Sprache sowie die barrierefreien Web-Auftritte und Antragsverfahren werden daher kontinuierlich ausgebaut. Alle bestehenden Angebote der Staatsregierung in Deutscher Gebärdensprache und Leichter Sprache sind auf der Internet-Plattform „einfach finden“ unter einer Webadresse leicht auffindbar und zugänglich.

Darum braucht es Gebärdensprachdolmetschende

Zwischen Menschen, die in Gebärdensprache kommunizieren, und Menschen, die diese nicht beherrschen, können ausgebildete Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher vermitteln. Ihr Einsatz hilft gehörlosen und schwerhörigen Menschen in vielen Lebensbereichen weiter: sei es im Gericht, in der Kommunikation mit Behörden, bei Beratungsgesprächen und beim Abschluss von Verträgen, aber ebenso in Bildungseinrichtungen oder bei Veranstaltungen in den Bereichen Kultur, Sport oder Freizeit. Und natürlich ist das Dolmetschen in die andere Richtung – also aus der Gebärdensprache in die Lautsprache – für Hörende notwendig, die nicht der Gebärdensprache mächtig sind. 

Der Einsatz von Dolmetschenden für Gebärdensprache ist mit Kosten verbunden. In bestimmten Situationen haben gehörlose oder schwerhörige Menschen einen Rechtsanspruch auf die Übernahme der Kosten, etwa in der Kommunikation mit einer Behörde oder bei medizinischen Behandlungen. In Bayern können Menschen mit Hörbehinderung mit den bayerischen Behörden in Deutscher Gebärdensprache, mit lautsprachbegleitenden Gebärden oder über andere geeignete Kommunikationshilfen kommunizieren. Ebenso haben sie Anspruch auf die Erstattung der Kosten für eine Gebärdensprachdolmetschung in Verwaltungsverfahren oder in bestimmten Fällen bei der Verständigung mit Kita, Tagespflegestelle oder Schule. 

Neben Gebärdensprachdolmetschenden kommen heute auch Avatare zum Einsatz: Diese computeranimierten Figuren bieten sich in der digitalen Kommunikation an, also vor allem auf Websites oder in Apps. Sie können und sollen die menschliche Gebärdensprachdolmetschung nicht in allen Bereichen ersetzen, aber das Angebot an barrierefreien Information für gehörlose oder schwerhörige Menschen ergänzen.

Pioniergeist in Landshut: Studiengang Gebärdensprachdolmetschen

Die Hochschule Landshut hat sich der Unterstützung von Gehörlosen verschrieben. Sie bietet als einziger Standort im Freistaat Bayern den Studiengang Gebärdensprachdolmetschen für angehende Dolmetscherinnen und Dolmetscher an.

Videos in Gebärdensprache

Warum reichen Untertitel nicht aus, um ein Video für die meisten gehörlosen Menschen barrierefrei zu gestalten? Die Schriftsprache ist für viele gehörlose Menschen wie eine Fremdsprache – da sie auf der Lautsprache aufbaut. Die Mehrheit der Gehörlosen hat daher nicht das gleiche Lese- und Textverständnis wie hörende Menschen. Deshalb ist es wichtig, eine eigene Videoversion in Gebärdensprache bereitzustellen oder eine Dolmetschung in Gebärdensprache in einem Video zu integrieren. Untertitel sind dagegen hilfreich für Menschen, die eine Höreinschränkung erst erworben haben, nachdem sie bereits sprechen und lesen konnten. 

Angebote für Gehörlose und Gebärdensprachinteressierte

Die Internet-Plattform „einfach finden“ bündelt alle Informationen der Bayerischen Staatsregierung, die diese in Leichter Sprache und Gebärdensprache bereitstellt.

Das Bayerische Institut zur Kommunikationsförderung für Menschen mit Hörbehinderung (GIB) ist eine Bildungseinrichtung und möchte den Austausch zwischen hörbehinderten und hörenden Menschen verbessern. Ziel ist die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen an der Gesellschaft. Schwerpunkte sind unter anderem:

  • Aus- und Fortbildung von Gebärdensprachdozentinnen und -dozenten
  • Qualifizierung und Fortbildung für die Taubblindenassistenz
  • Gebärdensprachkurse
  • Ausbildung von Schriftdolmetscherinnen und -dolmetschern

Finanziert wird das GIB vom Freistaat Bayern und den Bezirken. Auf der Website des GIB finden Sie auch die Kontaktdaten der neun bayerischen Vermittlungsstellen für Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher.

Der Gehörlosenverband München und Umgebung e. V. (GMU) bietet verschiedene Dienstleitungen von der Sozialberatung über die Gebärdensprachschule und die Vermittlung von Dolmetschenden bis zum Telekommunikationsservice, der Gehörlose bei Telefonaten unterstützt. Mit seinem Gehörlosenzentrum bietet der GMU zudem einen Ort, der Gehörlosen wie Gebärdensprachinteressierten offensteht und verschiedene Veranstaltungen organisiert. 

Der Landesverband Bayern der Gehörlosen e. V. ist ein Dachverband der Gehörlosenvereine in Bayern. Als Selbsthilfeorganisation vertritt der Landesverband die Interessen und Anliegen der Gehörlosen und Hörgeschädigten in Bayern.

Das Online-Portal deafservice.de listet Beratungsstellen, Dienstleister, Vereine, Firmen und Geschäfte aus ganz Deutschland, die eines verbindet: Es gibt mindestens eine Ansprechperson, die gebärden kann. 2010 startete die private Initiatorin Judit Nothdurft das virtuelle Branchenbuch mit gerade mal 50 Adressen. Inzwischen umfasst das Portal eine Vielzahl von Kontakten aus verschiedenen Branchen – von A(ltenheim) bis Z(ahntechnik). Auch touristische Angebote in Gebärdensprache findet man auf deafservice.de, z. B. barrierefreie Hotels mit technischer Ausstattung für hörgeschädigte Gäste sowie Museums- und Stadtführungen in Gebärdensprache.

Jede Kontaktperson wird mit Name und Sprachniveau vorgestellt. Beispiel: „XY ist gehörlos, beherrscht DGS und LBG.“ (DGS steht für Deutsche Gebärdensprache, LGB für Lautsprachbegleitende Gebärden.) Für die barrierefreie Kontaktaufnahme sind Fax- und/oder Bildtelefonnummern, E-Mail- und/oder Skype-Adressen angegeben.

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