Daniel Sommer

Barrierefreiheit und Kultur

Konzerthäuser, Museen, Theater und Kinos bieten vielfältige Kulturerlebnisse. Bauliche Maßnahmen und inklusive Angebote ermöglichen allen Besucherinnen und Besuchern uneingeschränkten Kulturgenuss. Viele Einrichtungen in Bayern setzen das erfolgreich um – und erreichen so ein breites Publikum. 

Ungehindert Kunst und Kultur erleben

An kulturellen Veranstaltungen teilzunehmen ist ein wesentlicher Bestandteil des gesellschaftlichen Zusammenlebens. Deshalb ist es wichtig, dass Museen, Theater, Konzerthäuser, Kinos und weitere kulturelle Einrichtungen Zugänge zu Kunst und Kultur für Menschen mit und ohne Einschränkungen schaffen. 

Intelligente bauliche Lösungen, der Einsatz moderner technischer Hilfsmittel und individuelle Serviceangebote: Damit können Einrichtungen allen Besucherinnen und Besuchern den Genuss kultureller Aktivitäten und Erlebnisse ermöglichen. So erleichtern zum Beispiel Aufzüge und Rampen den Zugang zu Kino- oder Konzertsälen. Eine einfach verständliche und deutlich sichtbare Beschilderung sowie Aufschriften in Großdruck, Reliefschrift und Blindenschrift erleichtern die Orientierung für alle Gäste. Bei Veranstaltungen kann zusätzliches Servicepersonal Gäste bei Bedarf im Haus begleiten oder auch von der nächstgelegenen Haltestelle abholen. Einige Opernspielstätten weisen einen speziellen Ruheraum für Besucherinnen und Besucher aus. Barrierefreie Theater und Konzerthäuser informieren auf ihren Websites und vor Ort darüber, welche Sitzreihen mit Induktionsschleifen ausgestattet sind. Beim Museumsbesuch ermöglichen beispielsweise digitale Technik wie Audiodeskription oder auch Tastmodelle die kulturelle Teilhabe von Blinden und Menschen mit Sehbehinderung. Gehörlose und Menschen mit Höreinschränkungen können Filmen oder Bühnenstücken mittels Untertitel folgen. Und Gebärdensprachdolmetscherinnen und -dolmetscher machen selbst Musik für sie erlebbar – von der Oper bis zum Rockkonzert.

Wir wollen Menschen zusammenbringen, alte und junge, Menschen mit und ohne Einschränkungen.

Sven Kleine ist Dramaturg am Landestheater Schwaben und dort auch zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Blick in die Praxis: Kulturgenuss barrierefrei

Theater, Museum, Kino – drei Beispiele aus der Praxis zeigen, wie sich Barrieren im Kulturbetrieb abbauen lassen. Dadurch können mehr Menschen kulturelle Angebote nutzen und Einrichtungen ihr Publikum erweitern. 

Das Landestheater Schwaben (LTS) in Memmingen möchte, dass sich alle Menschen im Haus willkommen fühlen. Für sein Engagement darf sich das Theater seit 2020 mit dem Signet „Bayern barrierefrei“ schmücken. Mit Blick auf den demografischen Wandel bringen die Verantwortlichen verstärkt Maßnahmen auf den Weg, die einen Besuch auch für Theaterfans ermöglichen, die aufgrund ihres Alters unter anderem weniger mobil sind. 

Ein beachtliches Engagement in punkto Barrierefreiheit zeigt auch das Deutsche Museum in München, eines der größten Wissenschafts- und Technikmuseen der Welt. Dafür wurde das Haus 2023 mit dem Signet „Bayern barrierefrei“ ausgezeichnet. Das Museum legt Wert darauf, keine Sonderlösungen für Menschen mit Einschränkungen zu erarbeiten, sondern den Besuch für alle Gäste gleichermaßen zu erleichtern. 

Geht es um Barrierefreiheit im Kino, spielen technische Innovationen und vor allem die Digitalisierung eine wichtige Rolle. Dank der kostenlosen App Greta erfahren blinde und sehbehinderte Menschen, gehörlose und hörbehinderte Menschen Teilhabe im Kinosessel: Sie können mithilfe des Smartphones Filmerlebnisse selbstbestimmt genießen, ob allein oder gemeinsam mit anderen. 

Wir möchten das Deutsche Museum für alle Menschen erlebbar machen, ein Museum für wirklich alle sein.

Diplom-Architektin Sandra Kittmann ist Beauftragte für Barrierefreiheit im Deutschen Museum in München.

Landestheater Schwaben: Hürden auch im Zwischenmenschlichen abbauen

Das Landestheater Schwaben versteht sich als eines der kulturellen Zentren in und um Memmingen. Vielfältige Angebote vom Klassiker über Musiktheater bis zur modernen Komödie sollen Menschen mit und ohne Einschränkung gerecht werden. Denn Inklusion ist dem Theater ein großes Anliegen. Dafür wurde durch Um- und Neubauten schon vor vielen Jahren auch architektonisch eine barrierefreie Umgebung geschaffen – inklusive Tiefgarage, Aufzügen zu allen Etagen, barrierefreien Toiletten und induktiven Höranlagen.  

Das Landestheater Schwaben hat zudem mehrere Serviceangebote eingeführt, die Menschen mit Behinderung die Theaterwelt erschließen lassen. Bewährt haben sich beispielsweise die Touch Tours: Vor einer Aufführung können blinde und sehbehinderte Theaterfans die Bühne, die Requisiten und die Kostüme bei einer Führung erkunden. Anfassen und ertasten ist dabei ausdrücklich erwünscht. Gern genutzt wird auch der „Komm vor“-Einlass: Das Theater hat den Begriff „Comfort“ damit neu definiert, nämlich als entspannten Einlass für Menschen mit sichtbarer oder unsichtbarer Einschränkung. Sie dürfen vor allen anderen in den Saal kommen und ohne Gedränge und Hektik ihre Plätze einnehmen. 

Das Landestheater Schwaben hat auch die ältere Generation im Blick. Die barrierefreie Gestaltung der Spielstätte schafft die notwendigen Voraussetzungen dafür, dass Gäste, die wegen ihres Alters weniger mobil oder anderweitig eingeschränkt sind, die Aufführungen genießen können. Darüber hinaus gibt es jedoch weitere Hürden zu überwinden, wie Dramaturg Sven Kleine weiß. „Beim Theaterbesuch ist der soziale Aspekt nicht zu unterschätzen. Ältere Menschen, die beispielsweise ihren Partner oder ihre Partnerin verloren haben, möchten das Theater oft nicht allein besuchen.“ Die Spielstätte bietet daher Theater-Tandems zusammen mit sozialen, kirchlichen oder caritativen Institutionen an: Besuchspaare oder kleine Gruppen können beliebig viele Aufführungen zu einem stark vergünstigten Eintrittspreis besuchen.

Teilnahme am gesellschaftlichen Leben, Tapetenwechsel, Austausch mit anderen – das sind elementare Bausteine eines erfüllten Lebens. „Gerade im Theater sind diese Erfahrungen möglich“, betont Sven Kleine. 

Das Beispiel des Memminger Theaters zeigt: Im Zusammenspiel von Barrierefreiheit und inklusiven Angeboten wird Teilhabe für viele Menschen möglich.  

Barrierefreiheit im Bild

Deutsches Museum: Barrierefreiheit trifft Besucherfreundlichkeit

„Barrierefreiheit für den Kopf“ ist für Diplom-Architektin Sandra Kittmann ein wichtiges Anliegen – nicht nur an ihrem Arbeitsplatz als Beauftragte für Barrierefreiheit im Deutschen Museum in München, sondern auch grundsätzlich in der Gesellschaft. Zu den Aufgaben der Fachplanerin für Barrierefreies Bauen gehört auch, im eigenen Haus um Verständnis zu werben. Sie erarbeitet zum Beispiel im Austausch mit den Kuratorinnen und Kuratoren Lösungen, wenn etwa eine zusätzliche Sitzbank die Ausstellungsfläche verkleinert. 

„Wir haben im Schnitt 1,5 Millionen Besucherinnen und Besucher pro Jahr und damit auch ganz besondere Anforderungen, die teilweise über übliche Bauordnungen oder DIN-Vorschriften hinausgehen“, sagt Sandra Kittmann. Im Museum hat sich ein Arbeitskreis gebildet, in dem Kolleginnen und Kollegen aus verschiedenen Perspektiven ihre Erfahrungen, ihre Ideen und auch ihre Intuition einbringen. „Wer hier mitarbeitet, tut das neben der eigentlichen Tätigkeit und ich freue mich darüber, dass wir so ein breites Netzwerk geknüpft haben.“ Bei der Entwicklung von Ausstellungsinhalten wird so beispielsweise von Anfang mitbedacht und überlegt, wie naturwissenschaftliche Vorgänge oder technische Erklärmodelle über mehrere Sinne vermittelt werden können. 

Das Team um Sandra Kittmann hat auch die Freiheit, neue Angebote auszuprobieren. „Wir konnten die Sanierungsphase des Ausstellungsgebäudes nutzen, um zu experimentieren“, sagt sie. Seit 2015 wird das Haus umfassend saniert und modernisiert. Heute gibt es bereits auf rund 20.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche 20 Dauerausstellungen zu sehen und zu erleben – von der Luftfahrt bis zur Gesundheit, von Robotik bis zur Musik. In den barrierefrei zugänglichen Ausstellungsräumen sind Objekte und Vitrinen auf unterschiedlichen Höhen angeordnet, was Menschen mit Rollstuhl, Kleinwüchsigen und Kindern das Betrachten erleichtert. Einbauten sind nach Möglichkeit mit dem Rollstuhl unterfahrbar gestaltet.

Ausprobiert wurde auch, Begleitmaterialien zu einigen Ausstellungen in Leichter Sprache, einer stark vereinfachten Version des Deutschen, zur Verfügung zu stellen. „Das Angebot wurde nicht so stark angenommen, daher sind wir auf Material in Einfacher Sprache umgestiegen.“ Diese Version verzichtet wie die Leichte Sprache auf komplizierte Sätze und Fremdwörter, sie ähnelt aber mehr der Standardsprache. Mit den Texten in Einfacher Sprache möchte das Museum auch Besucherinnen und Besucher erreichen, die sich schnell Zugang zu einem neuen Thema verschaffen möchten, ebenso wie Touristinnen und Touristen mit geringen deutschen Sprachkenntnissen oder Menschen mit Migrationshintergrund.

Barrierefreiheit im Bild

Teilhabe im Kino dank der App Greta

Was kann Greta? „Sie flüstert Audiodeskriptionen und spielt Untertitel ab“, erklärt Seneit Debese. Sie ist Gründerin und Geschäftsführerin von Greta & Starks. Das Unternehmen vertreibt die App Greta: Sie ermöglicht es Menschen mit eingeschränktem Seh- oder Hörvermögen, Filme im Kino oder zuhause ohne die Hilfe anderer zu genießen. 

Die App spielt die gewünschte barrierefreie Extrafassung zum Film ab. Voraussetzung dafür ist, dass die Produzentin oder der Produzent, der Kinofilm-Verleiher oder die Fernsehanstalt eine Audiodeskription und Untertitel erstellt hat. Greta macht diese Fassungen dann über die App zugänglich. 

Blinde und Menschen mit Sehbehinderung benötigen für die Nutzung nur ein Smartphone und Kopfhörer. Darüber können sie die Audiodeskription während des Films hören: Sie beschreibt in knappen Worten wichtige Elemente der Handlung, Gestik, Mimik und Umgebung. Die Beschreibungen werden in den Dialogpausen eingesprochen. 

Für gehörlose und Menschen mit Höreinschränkungen gibt die App Untertitel aus. Neben den Dialogen werden wichtige Umgebungsgeräusche im Bild oder Hintergrund in Untertiteln beschrieben. Für hörbeeinträchtigte Filmfans sowie Trägerinnen und Träger von Hörgeräten ermöglicht die App auch eine Hörverstärkung. Geplant ist auch, Gebärdensprachvideos als weitere Option anzubieten. 

Verschiedene Menschen, ob mit oder ohne Behinderung, fremdsprachig oder nicht, jünger und älter, sollen im gleichen Kino den gleichen Film erleben und an den gleichen Stellen lachen oder weinen können. Niemand ist ausgeschlossen, alle sind Teil einer Gemeinschaft – das ist unsere Vision.

Unabhängigkeit und das Gemeinschaftserlebnis Kino sind zwei wichtige Stichworte für Seneit Debese, Gründerin und Geschäftsführerin von Greta & Starks.

Seneit Debeses Familie stammt ursprünglich aus Eritrea, sie ist in Mannheim aufgewachsen. Schon während ihres Studiums der Betriebswirtschaftslehre überlegte sie, wie ihr unternehmerisches Know-how die Gesellschaft verbessern könnte, sie wollte immer schon soziale Probleme lösen. Beim Dreh einer Reportage über die blinde Läuferin Kidisti Weldemichael wurde ihr klar: „Menschen sind von Freizeitmöglichkeiten ausgeschlossen, die die allermeisten Menschen einfach erleben können. Kidisti war erfolgreiche Leichtathletin, angehende Physiotherapeutin und wollte, wie alle in ihrem Freundeskreis, einfach nur ins Kino gehen.“ So kam sie auf die Idee, Teilhabe mithilfe einer App zu ermöglichen. Heute macht Greta Kinoerlebnisse für alle Nutzerinnen und Nutzer möglich, in jedem Kino, in jedem Saal, zu jeder gewünschten Vorstellung – einfach vom eigenen Smartphone aus. 

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