Manchmal bedeutet Barrierefreiheit: ausprobieren – und einfach machen
Überhaupt sorgen viele Details für den barrierefreien Genuss. Früher las das Servicepersonal Gästen mit Sehbehinderung die Speisekarte vor. „Aber das hat bei unserer umfangreichen Auswahl einfach zu lange gedauert und nicht so gut funktioniert“, erinnert sich Bernd Rings. „Wir haben sofort gehandelt und unsere Speisekarten in Blindenschrift stanzen lassen, sowohl in Kurz- als auch in Langschrift. Eine Speisekarte mit großer Schrift haben wir selbstverständlich auch. Die drucken wir immer selbst.“
Wenn eine Servicekraft einen blinden oder sehbehinderten Gast bedient, macht sie zunächst dezent auf sich aufmerksam. „Ich bin jetzt da“, meldet sie sich. Und beschreibt dann genau, was für den Gast wichtig ist. „Ich stelle jetzt Ihr Glas hin.“ Oder: „Das Fleisch liegt auf 6 Uhr.“ Das bedeutet: Das Fleisch liegt auf dem Teller dort, wo sich auf einer Uhr die 6 befindet. Die Küche arbeitet streng nach Regel, das Gemüse ist immer links vom Fleisch angerichtet – also auf 9 Uhr – und die Beilage rechts, auf 3 Uhr. Mit Uhrzeitangaben wie diesen können sich sehbehinderte Menschen gut orientieren, nicht nur bei Tisch, sondern auch im Raum. Sagt man: „Die Bühne ist auf 12 Uhr“, dann weiß der Literaturfreund, dass er genau ausgerichtet zur Bühne sitzt.
Man spürt: Hier ist Barrierefreiheit gelebte Praxis. Ein Besucher sitzt im Rollstuhl? Schnell wird ein Stuhl weggerückt. Ein Gast ist sehbehindert? Schon ist die Speisekarte in Großschrift zur Hand. Im Literatursalon im ersten Stock des Hauses finden private Feiern und Tagungen statt. Regelmäßig treffen sich hier auch Organisationen von Menschen mit Behinderung. Und seit Bernhard Rings 2009 das Café-Restaurant übernahm, hat er zwölf Menschen mit Lernbeeinträchtigung ausgebildet. Ihren Abschluss haben alle bestanden.