„Ein Arzt meinte mal, dass ich sieben Leben habe, wie eine Katze“, sagt Esad K. „Ein paar habe ich allerdings schon verbraucht.“ Er war 15, als er beim Badeurlaub von einer Klippe ins Meer hüpfte. Das Wasser war zu flach an der Stelle, Esad schlug auf dem Boden auf. Seither sitzt er im Rollstuhl. Viele Jahre später erlitt er einen Schlaganfall. Eine Folge des Unfalls, vielleicht auch einer fehlerhaften Behandlung? Esad K. weiß es nicht. Egal. Er ist ein Kämpfer, will sein Leben weiterleben, nach dem Schlaganfall wieder ins Berufsleben zurückkehren. Dafür macht er sich stark – und auch für andere, schwächere Menschen. „Ich bin ja ein lockerer Typ und nicht anstrengend. Aber manchmal muss ich etwas sagen.“
Einmal hat er etwas zu einem Arzt gesagt. Dessen Praxis lag im zweiten Stock eines Altbaus. Weil der Lift, altbautypisch, zwischen den Stockwerken hielt, nahm er einen Pfleger und einen Freund mit, die ihn eine halbe Etage hochtrugen bis zum Einstieg und dann wieder eine halbe Etage hinunter in den zweiten Stock. Dann war er endlich beim Arzt, der rasch eine Diagnose erstellte und ein Rezept dazu. Esad K. stutzte, zweifelte, bat um eine Erklärung. „Da antwortete der Arzt, er würde mir das gerne ausführlich erklären. Ich müsste nur einen Privattermin machen und 200 Euro zahlen.“
Barrierefreiheit: Eine Frage der Haltung
Esad K. sagte dem Arzt seine Meinung und verließ die Praxis. Inzwischen hat er einen Neurologen gefunden, der sich die nötige Zeit nimmt. „Er hat sogar kürzlich meiner Pflegerin in aller Ruhe erklärt, was der Unterschied zwischen einem epileptischen Anfall und einer Spastik ist.“ Auch die Praxis des neuen Arztes ist nicht mit einem Lift erschlossen. „Aber er hat eine mobile Rampe, um die Stufen zu überbrücken. Und er packt selbst beim Rollstuhl mit an. Das passt doch.“ Barrierefreiheit, findet Esad. K., ist natürlich ein bauliches und technisches Thema. Aber vor allem eine Frage der Haltung.