Kitas für alle
In einer inklusiven Kita wachsen Kinder mit und ohne Behinderung gemeinsam auf. Die barrierefreie Lernumgebung stärkt das Gemeinschaftsgefühl in Bayern.
Von schallschluckender Wandbekleidung bis zur Braille-Tastatur: Bauliche Maßnahmen und technische Hilfsmittel erleichtern Schülerinnen und Schülern mit Beeinträchtigungen oder sonderpädagogischem Förderbedarf den Unterrichtsbesuch – genauso wie Begegnungen im alltäglichen schulischen Miteinander.
Inklusion ist Aufgabe aller Schulen. Der „Bayerische Weg der schulischen Inklusion“ setzt auf eine Vielfalt schulischer Angebote, um den im jeweiligen Einzelfall unterschiedlichen Bedürfnissen, Bedarfen und Entwicklungsmöglichkeiten von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf Rechnung tragen zu können. Gut 500 staatliche Schulen im Freistaat haben inzwischen das „Schulprofil Inklusion“. Damit ist ein dichtes Netz an Schulen entstanden, die sich auf den Weg gemacht haben, Inklusion in besonderer Weise in Unterricht und Schulleben umzusetzen. Sie sind gelingende Beispiele für Inklusion.
Auf der Website des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus erfahren Sie, wie Inklusion in den unterschiedlichen Schulformen umgesetzt wird. Dort können Sie auch gezielt nach bayerischen Schulen mit dem Profil „Inklusion“ suchen.
Der Abbau von Barrieren im bayerischen Schulwesen ist eine Aufgabe, an der kontinuierlich und nachdrücklich gearbeitet wird. Kinder mit und ohne sonderpädagogischem Förderbedarf sollen nach Möglichkeit dieselbe Bildungseinrichtung besuchen und gemeinsames Leben und Lernen erfahren. Sei es mit oder ohne Rollstuhl, mit vollständigem oder verringertem Hör- und Sehvermögen, mit oder ohne sonstige Einschränkungen. Der Inklusionsauftrag ist in Bayern gesetzlich fest verankert. Soweit hierfür die Umsetzung baulicher Maßnahmen an öffentlichen und privaten Schulen erforderlich ist, sind für öffentliche (staatliche und kommunale) Schulen im Regelfall die Kommunen als sog. Schulaufwandsträger und bei den Schulen in privater Trägerschaft der jeweilige Schulträger (Schulaufwandsträger) zuständig. Zur Umsetzung der baulichen Barrierefreiheit stellt der Freistaat unterstützend Förderungen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs (öffentliche Schulen) bzw. der Schulfinanzierung (private Schulaufwandsträger) bereit.
So können mit baulichen Maßnahmen bestehende Barrieren beseitigt werden: Zum Beispiel wurden Aufzüge eingebaut oder moderne Beleuchtungssysteme installiert, Treppenkanten mit kontrastreichen Markierungen versehen oder der Raumklang durch schallschluckende Wandbekleidungen verbessert. Und bei Neubauten wird das Thema Barrierefreiheit heute konsequent mitgedacht.
Barrierefreie Nutzbarkeit digitaler Anwendungen sowie der Einsatz digitaler Medien für unterschiedliche Lernvoraussetzungen und -bedarfe bilden weitere wesentliche Bausteine für gelingende Inklusion.
Die Schulen in Bayern unternehmen große Anstrengungen, wenn es darum geht, den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen, sonderpädagogischem Förderbedarf oder chronischen Erkrankungen angemessen Rechnung zu tragen. Viele Schulen haben für ihr besonderes Engagement bereits das Signet „Bayern barrierefrei“ erhalten. Was diese Schulen auszeichnet, zeigen stellvertretend drei Beispiele:
Die Hans-Carossa-Grund- und Mittelschule Pilsting in Niederbayern zeigt, wie Inklusion im Schulalltag gelebt wird. Bereits seit dem Schuljahr 2011/2012 besteht eine Partnerschaft mit der Lebenshilfe-Schule Landau. Gemeinsam setzen beide Schulen den bayerischen Weg der Inklusion erfolgreich um. So beherbergt die Grund- und Mittelschule zwei Partnerklassen der Lebenshilfe. Im Zuge einer umfassenden Sanierung des Schulgebäudes wurde beispielsweise auf den Einbau von Rampen bewusst verzichtet: Alle Schülerinnen und Schüler können dieselben Wege nutzen, um ins Schulgebäude zu gelangen.
Die Markgraf-Friedrich-Realschule Rehau in Oberfranken hat eine Reihe von Maßnahmen umgesetzt, die Kindern und Jugendlichen mit Beeinträchtigungen bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf den Schulalltag erleichtern. Viele der Lehrerinnen und Lehrer haben Fortbildungen besucht, um sich in die Situation von Kindern und Jugendlichen beispielsweise mit körperlichen Beeinträchtigungen einfühlen zu können. Die Lehrkräfte sind auch geschult im Umgang mit Schülerinnen und Schülern im Autismus-Spektrum.
Auch das Hertzhaimer-Gymnasium Trostberg im oberbayerischen Landkreis Traunstein achtet besonders auf die Bedürfnisse von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, etwa bei der Planung von Sanierungsmaßnahmen. Ebenso wird in der Schulgemeinschaft ein respektvolles Miteinander gelebt. Schülerinnen und Schüler mit und ohne Behinderung bzw. sonderpädagogischem Förderbedarf begegnen sich tagtäglich im Unterricht, in den Pausen und überhaupt im schulischen Alltag.
Die Lebenshilfe-Schule Landau, ein Förderzentrum mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung, unterhält zwei Partnerklassen in den Räumen der Grund- und Mittelschule Pilsting. Die Klasse der Grundschule sowie die Partnerklasse haben jeweils ihr eigenes Klassenzimmer, ihren eigenen Stundenplan sowie ihre eigenen Lehrkräfte. Regelmäßig findet gemeinsamer Unterricht statt, der jeweils unterschiedliche Lernziele berücksichtigt. Beide Klassen lernen dadurch auf vielfältige Weise mit- und voneinander. Ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler sich besonders gerne treffen, ist die barrierefrei renovierte Bibliothek. Sie verfügt über einen Aufzug, mit dem beide Geschosse der Bibliothek gut zu erreichen sind. Nicht nur Kinder und Jugendliche mit Sehbehinderung nutzen dort gerne das Angebot „Bücher hören“, das gemeinsam mit dem Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbund e. V. (BBSB) erarbeitet wurde.
Ein Beispiel für weitere gemeinsame Aktivitäten ist die inklusive Theater-AG unter der Leitung von Pamela Hiergeist und Dorothea Kagerer. Pamela Hiergeist unterrichtet die Grundschulkinder der ersten und zweiten Klassen, Sonderpädagogin Dorothea Kagerer ist Lehrerin der Partnerklasse. „Jedes Kind ist entsprechend der eigenen Fähigkeiten und Interessen involviert“, sagt Dorothea Kagerer. Die teilnehmenden Kinder probieren Bewegungsformate aus, erarbeiten Tanzelemente und Theaterszenen, entwickeln sogar kleine Choreografien. Wer nicht auf der Bühne stehen möchte, macht zum Beispiel Fotos von der Aufführung oder im Nachgang einen kleinen Film dazu. „Wir geben niemandem etwas vor. Wir schauen, wer sich mit welcher Aufgabe wohlfühlt“, betont Pamela Hiergeist. Wichtig ist das Gruppengefühl, das gemeinsame Ausprobieren steht im Vordergrund.
Was uns Barrierefreiheit bedeutet? Viel mehr als bauliche Maßnahmen. Für uns bedeutet es, Barrieren im Kopf und im Herzen abzubauen. Die Kinder der Lebenshilfe-Partnerklassen gehören für uns einfach zur Schulfamilie dazu.
Lehrerin Pamela Hiergeist und Sonderpädagogin Dorothea Kagerer leiten die inklusive Theater-AG an der Hans-Carossa-Grund- und Mittelschule Pilsting.
„Wir erleben hier Kinder mit Behinderungen, die weitgehend mitlaufen, wie die anderen Kinder. Es passiert im Schulalltag wie selbstverständlich – und genau das ist unser Ziel“, sagt Lehrerin Julia Fuhrmann, die zum Team der erweiterten Schulleitung gehört. Kommunikation und Offenheit sind entscheidend, damit Teilhabe gelingen kann. Das Kollegium spricht sich eng ab, gibt Tipps weiter und bildet sich fort.
Julia Fuhrmann ist noch nachdrücklich in Erinnerung, wie sie bei einer Fortbildung dank einer Spezialbrille nachempfinden konnte, wie Menschen mit Seheinschränkung die Welt wahrnehmen, etwa nur hell und dunkel unterscheiden können. In einer anderen Fortbildung wurden den Lehrkräften Tonspuren vorgespielt, um den eingeschränkten Hörsinn zu simulieren. „Wenn jemand hörbeeinträchtigt ist, sitzt dieses Kind am besten in der ersten Reihe, nicht an der Wand, damit es nicht gegen das Licht schauen muss, falls es Lippenlesen muss“, weiß Julia Fuhrmann.
Christina Olejnizak, deren blinde Tochter die Regelschule besuchte, überzeugte vor allem die pragmatische, offene Herangehensweise der Schule. „Schon beim ersten Gespräch hatten wir das Gefühl, sehr willkommen zu sein“, schildert Christina Olejnizak. „Alle Lehrerinnen und Lehrer haben unsere Tochter immer unterstützt, etwa wenn sie mit einem Brailleschrift-Laptop gearbeitet hat. Besonders engagiert hat sich ihre Mathelehrerin, die sich eine spezielle Schrift aneignen musste.“
Alle Lehrerinnen und Lehrerinnen haben unsere Tochter unterstützt. Selbst die Skifreizeit in der 7. Klasse konnte unsere blinde Tochter mitmachen. Diese Offenheit, die Bereitschaft, Dinge einfach mal auszuprobieren, hat uns viel bedeutet.
Christina Olejnizaks blinde Tochter war Schülerin an der Markgraf-Friedrich-Realschule Rehau.
Oberstudiendirektor Rudolf Schramm leitet das Hertzhaimer-Gymnasium Trostberg. Die Schule wird von jungen Menschen mit unterschiedlichen Beeinträchtigungen besucht. Diese reichen vom Autismus hin zur schweren Hörschädigung, von der Glasknochenkrankheit bis zur starken Einschränkung beim Sehen. An der Schule verbessern nicht allein bauliche Maßnahmen das Miteinander von Menschen mit und ohne Behinderungen. „Oft ergeben sich im schulischen Alltag konkrete kleinere Verbesserungspotenziale. Beispielsweise berichtete uns ein stark sehbeeinträchtigter Schüler, dass er die Stufen unserer Treppen kaum erkennen könne. Mit farbigen Klebebändern sorgten wir kurzfristig für Abhilfe“, schildert Rudolf Schramm. „Bei den anstehenden Sanierungsmaßnahmen soll nun ein größerer Stufenkontrast geschaffen werden. Das Beispiel zeigt: Es ist wichtig, im schulischen Alltag stets Augen und Ohren offen zu halten, um Barrieren zu erkennen und abzubauen.“
Das Beratungsteam der Schule, das aus der Schulleitung, einem Inklusionsbeauftragten, einem Schulpsychologen und einer Sozialpädagogin besteht, überprüft aus diesem Grund regelmäßig sämtliche Fördermaßnahmen an der Schule und hält auch den Kontakt zu den Eltern. Rudolf Schramm sieht Inklusion an der Schule als ständigen Prozess, bei dem auch der technische Fortschritt eine Rolle spielt: „Für den sehbeeinträchtigten Schüler, der uns auf das Problem mit den Treppen hinwies, wurden anfangs große Bildschirme aufgestellt, sodass er mit Hilfe einer Kamera darauf das Tafel- oder Beamerbild betrachten konnte. Als wir unsere Schülerinnen und Schüler mit Tablets ausgestattet haben, stellte sich dann heraus, dass er damit auch viel besser arbeiten kann.“
Neben geeigneten technischen Hilfsmitteln braucht es auch persönliche Unterstützung. „Ich sehe täglich große Hilfsbereitschaft auf Schüler- wie Lehrerseite bei der Unterstützung unserer Schülerinnen und Schüler mit Beeinträchtigungen. Diese Normalität im Umgang ist ein besonderes Markenzeichen unserer Schule“, sagt Rudolf Schramm.
Unser Schulmotto lautet: `Lernen mit Kopf, Herz und Hand´. Im Zusammenhang mit der Inklusion spielt das Herz am Her(t)zhaimer-Gymnasium eine große Rolle – ebenso wie die Barrierefreiheit im Kopf.
Rudolf Schramm ist Oberstudiendirektor des Hertzhaimer-Gymnasiums Trostberg.
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